22.09.2021

Globale Trends verändern Stadtquartiere

Innerstädtische Stadtquartiere sind das Thema der Stunde. Die Popularität erklärt sich aus dem weltweiten Trend der Bevölkerungsentwicklung und der Verstädterung. Als gemischt-genutzte Orte profitieren Stadtquartiere von der hier gelebten Vielfalt, vom Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten, von Alt und Jung und den sozialen Schichten, vom frei finanzierten kostenträchtigen Eigentumswohnungsbau und dem kostengünstigen geförderten Mietwohnungsbau. Aus dem Vorteil, ein Wachstumsmarkt zu sein, erwächst aber auch Verantwortung. Da die Quartiere möglichst lange und rentabel genutzt werden sollen, gilt es, künftige Entwicklungen möglichst vorherzusehen und baulich zu antizipieren – ob die Anforderungen nun wirtschaftlicher Natur sind (niedrige Zinsen) oder aber Klimaschutz (CO2-Reduzierung), Nachhaltigkeit (Kreislaufwirtschaft) oder Digitalisierung betreffen. Der Quartiersentwickler muss sein Ohr also am Puls der Zeit haben – im globalen, wie im lokalen Bereich.

Wie sieht es etwa mit den zu erwartenden infrastrukturellen Forderungen vor Ort aus? Benötigt man eine Kindertagesstätte oder eine Schule, und wenn ja wie lange und für wie viele Schüler? Wie lässt sich ein einvernehmliches Zusammenleben in der Nachbarschaft gestalten? Und wie können morgen benötigte Immobilien übermorgen umgenutzt werden, um Leerstände zu vermeiden? Und wie können in Zeiten knapper und teurer Immobilien in den Innenstädten diese vielleicht sogar über den Tag und die Woche verteilt mehrfach genutzt werden, um eine optimale Auslastung und Rendite zu erhalten, von der alle profitieren? Und wie entwickelt sich die Geschäftswelt? Sollten die über Jahrzehnte dem Einzelhandel vorbehaltenen Erdgeschosszonen perspektivisch in Form von Begegnungsräumen wieder an die Gesellschaft zurückgegeben werden?

Bei diesen Fragen nach den Megatrends von heute und morgen stößt die Individualisierung in Form der jeweils persönlichen Vorstellungen Einzelner auf die Bedürfnisse und Erfordernisse der Gemeinschaft. Das sonntägliche Frühstück mit Freunden steht neben dem Treffen von Gruppen und Vereinen. Mit strukturellen Veränderungen ändern sich auch die Anforderungen an Stadtquartiere, die sich nur aus einer übergeordneten Perspektive lösen lassen. Die Betrachtung einzelner Entwicklungsstränge ist nicht mehr ausreichend. Vielmehr sind ganzheitliche Ansätze von Quartiersentwicklung gefragt, in deren Spannungsfeld die jeweiligen Anforderungen ausgehandelt werden können. Was heute noch eine gute architektonische Lösung für gegenwärtiges Leben ist, kann schon in wenigen Jahren nicht mehr passen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind gefragt – und entscheiden über den dauerhaften Erfolg. Eine dauerhafte, (nach-)steuernde Begleitung des Quartiers gewinnt an Bedeutung, um der neuen Komplexität in Quartieren gerecht zu werden. Der ganzheitliche Quartiersentwickler mit seiner Mischung aus Erfahrung und Gespür für kommende Megatrends wird wichtiger.

Eines aber bleibt gewiss: Wenn es den Menschen hier gut geht, geht es auch der Immobilie gut.

Über die Autoren:

Auf Grundlage ihrer beruflichen und akademischen Erfahrung analysieren Carsten Boell, Geschäftsführer der INTERBODEN Innovative Gewerbewelten, Projektentwicklerin Carolin Löbbert sowie die Wirtschaftsingenieure Joachim Sümmermann und Benjamin Wagner, welches jene Megatrends sind, die mehr als kurzlebige Modeerscheinungen sind, so dass sie heute unbedingt schon bedacht werden müssen, damit die Stadtquartiere von morgen auch übermorgen noch den sich stetig ändernden Ansprüchen der Menschen an ihr Leben und Arbeiten gerecht werden.